In diesem Abschnitt finden Sie wissenswerte Informationen rund um die Interventionelle Psychiatrie. Zusammenfassend ist der Stand aktuell (1. HJ 2024) so, dass die SGIP-SSPI die Methoden erwähnt, für die es gute oder zumindest ausreichende wissenschaftliche Evidenzen hinsichtlich der Behandlungserfolge gibt. Die am besten wirkenden und am häufigsten verwendeten Methoden sind sicherlich die EKT bei der schweren Depression oder der Katatonie, wie auch die rTMS bei der Depression und Stimmenhören. Ketamin als Nasenspray findet seinen Platz in der Depressionsbehandlung, wie auch die tDCS. Die Entwicklungen im Bereich der Psychedelika Therapie oder auch der Psychedelika assistierten Psychotherapie beobachten wir intensiv und werten es nach den gängigen Qualitätskriterien. Noch gibt es hier eine klaren Behandlungsempfehlungen für die Schweiz.
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Die EKT ist ein modernes medizinisches Behandlungsverfahren für schwere psychische Störungen. Die Wirksamkeit der EKT hängt von den Eigenschaften des elektrischen Feldes und der Aktivität der Nervenzellen während des durch die Stimulation ausgelösten Anfalls ab. Im Rahmen einer Kurznarkose wird das Gehirn über Elektroden an der Kopfhaut für wenige Sekunden mit sehr kurzen elektrischen Impulsen angeregt. Ähnlich wie bei einem generalisierten Anfall kehren in weniger als zwei Minuten selbstständig wieder in ihren ursprünglichen Funktionszustand zurück. Das Verfahren wird mehrmals im Abstand von Tagen angewendet.
Im Allgemeinen wird die EKT dann eingesetzt, wenn mehrere Therapieversuche mit Medikamenten und psychotherapeutischer Begleitbehandlung zu keiner ausreichenden Besserung geführt haben. Die EKT wirkt bei depressiven, manischen, psychotischen und katatonen Störungen. Sie führt bei der Mehrzahl der Patienten zu einer völligen Rückbildung oder zumindest deutlichen Besserung der Beschwerden. Obwohl vor allem Patienten mit vorher ungünstigen Krankheitsverläufen mit EKT behandelt werden, kann je nach Vorbehandlung in 50 bis 90 % der Fälle eine Rückbildung der Beschwerden erreicht werden. Es werden Patient und Angehörigen informiert und die Behandlung wird ausdrücklich gewünscht In der Regel erfolgt der Wirkeintritt rasch
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Die transkranielle Magnetstimulation, abgekürzt TMS, ist eine gezielte und gut verträgliche Therapie bei verschiedenen psychiatrischen Erkrankungen. Am häufigsten werden Depressionen behandelt, aber die kann auch bei der Schizophrenie zur Behandlung von Stimmenhören oder Negativsymptomatik angewendet werden. Immer häufiger findet sie aufgrund eines guten Wirkungs- und Nebenwirkungsprofils auch Anwendung in der Suchtbehandlung oder bei Zwangsstörungen.
Eine Behandlung mit TMS kann die üblichen psychotherapeutischen und medikamentösen Behandlungen ergänzen oder statt diesen Methoden angewendet werden, wenn Psychotherapie und Medikamente nicht ausreichen. Sie bewirkt gezielt den Ausgleich der aus der Balance geratenen Hirnaktivität. In einer Spule, die über nachgewiesenermassen bei den zu behandelnden Störungen betroffenen Hirngebieten gehalten wird, fliesst ein Strom. Durch das durch den Strom hervorgerufene Magnetfeld kann das Gehirn positiv hin zu einer balancierenden Normalisierung der Hirnaktivität. Es wird tägliche stimuliert. Es gibt inzwischen verschiedene Protokolle, nach denen mit hoch- oder niederfrequenten oder gepulsten Stimulationen behandelt wird. In der Zwischenzeit geht man sogar dazu über, mehrfach täglich zu stimulieren, um schneller einen Behandlungserfolg zu sehen – unter Beibehalten einer guten Verträglichkeit. Kritisch derzeit in der Schweiz ist, dass die rTMS Behandlung trotz seit Jahren nachgewiesener Wirksamkeit noch immer nicht durch die Krankenkassen vergütet wird.
Es gibt Situationen, in denen die rTMS nicht oder nur nach sehr sorgfältiger Prüfung angewendet werden darf. Dies sind z.B. bei implantierten intrakraniellen Elektroden, bei Cochlea-Implantaten, bei Z.n. akuter Herzerkrankung oder –verletzung, bei Herzschrittmacher oder Defibrillator.
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tDCS steht als Abkürzung für die transkranielle Gleichstrombehandlung (aus dem Englischen: transcranial direct current stimulation). Bei der tDCS werden die Aktivität einzelner Hirnregionen angeregt oder gehemmt. Man legt dazu im Allgemeinen zwischen zwei Elektroden, die auf der Kopfoberfläche über den Hirnregionen angebracht werden, die beeinflusst werden sollen, einen sehr schwachen Strom an. Die Stromstärke ist mit dem Strom einer Batterie vergleichbar, auch die Spannung ist gering. Es treten innerhalb weniger Minuten direkt spürbar Effekt ein, um jedoch ein psychiatrisches Krankheitsbild mit einer gewissen Nachhaltigkeit zu beeinflussen, muss eine tDCS Behandlung mehrfach wiederholt werden, z.B. täglich während zwei bis vier Wochen. Es können, wie bei der rTMS, v.a. Depressionen nachgewiesener Massen verbessert werden. Aber auch bei Abhängigkeiten, kognitiven Einschränkungen oder Schizophrenie kann diese Methode verwendet werden. Die Nebenwirkungen (Kribbeln und Jucken, lokale Rötung, Kopfschmerzen und unspezifisches Unwohlsein) sind gering und nicht anhaltend, so dass neben einem günstigen Wirkung-Nebenwirkungs-Profil bei der Methode zu erwähnen ist, dass sie grundsätzlich hoch mobil, einfach in der Anwendung und kostengünstig ist. Allerdings wird die tDCS noch weniger durch die Krankenkassen unterstützt als die rTMS.
Wie bei der rTMS darf die Methode in machen Situation nicht oder nur nach sehr sorgfältiger Prüfung angewendet werden.
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Neben den elektrischen Neurostimulationen und –modulationen in der Psychiatrie, die die EKT wie auch die TMS, DBS und tDCS und weitere Behandlungen umfassen, können auch die pharmakologischen Interventionen zur Interventionellen Psychiatrie gezählt werden. Altbekannt sind Kurzinfusionen mit z.B. Antidepressiva aber auch neue pharmakologische Interventionen wie die i.v. Gabe von dem primär als Anästhetikum bekannten NMDA Antagonisten Ketamin zur Depressionsbehandlung oder aber aktueller die Applikation von Esketamin als Nasenspray. Die Anwendung von Ketamin als Nasenspray hat zwar die Applikation als solche deutlich vereinfacht, aber dennoch bedarf die Verschreibung und Anwendung von nasalem Ketamin aufgrund der speziellen Indikationsstellung und möglicher akuter Nebenwirkungen nach Gabe eine Intervention einer speziellen Umgebung mit der notwendigen Expertise bei den anwendenden Psychiaterinnen und Psychiatern. So unterliegt es auch einer kontrollierten Abgabe und ist nur zur Anwendung unter direkter Aufsicht eines Arztes vorgesehen.
Wirkmechanismen sind bisher nicht vollständig verstanden. Vermutlich blockiert das Ketamin GABA-Neurone über die NMDA-Rezeptoren, was in Folge zu einer vermehrten Glutamatausschüttung führt, welche wiederum zu einer erhöhten AMPA-Rezeptor-Simulation des nachfolgenden Neurons beiträgt. Dies mag zu einer erhöhte BDNF-Freisetzung mit in der Folge Zunahme der Anzahl, Funktion und Stärke der Synapsen führen. Möglicherweise hat Ketamin auch einen Effekt auf das dopaminerge Belohnungszentrum. Zudem interagiert Esketamin auch mit Opioidrezeptoren als schwacher Agonist und wirkt damit analgetisch.
Neben aktuellen Publikation, die die Anwendung empfehlen und aus klinisch-wissenschaftlicher Sicht aus ihrer Erfahrung heraus empfehlen, gibt es auch gegenteilige Empfehlungen.
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Die meisten der hier aufgelisteten Methoden werden derzeit nur in den wissenschaftlichen Laboren der Universitäten verwendet. Die Liste ist nicht zuletzt aufgrund des immensen Wachstums in diesem Bereich nicht vollständig. Bei vielen Methoden haben sich auch die aus den englischen Namen abgeleiteten Abkürzungen durchgesetzt.
Übersicht weiterer Methoden (siehe Download)
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Interventionelle Methoden in der Psychiatrie sind derzeit kein Ersatz der Standard-Therapien wie Psychotherapie und Psychopharmakolgie. Sie gelten als Alternativen oder Augmentation.
Sie werden eingesetzt bei
- Therapieresistenz auf Standardmethoden (Medikamente, PT, ..)
- wenn die Standardmethoden können nicht angewendet werden (Starke Nebenwirkungen, Schwangerschaft, ..)
- auf Wunsch der Patient:innen
- oder auch als erste Wahl bei bestimmten Krankheitsbildern.
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Am Anfang steht ein Behandlungsplan, den Sie gemeinsam mit Ihrer Psychiaterin erstellen.
Ihr Psychiater sollte Ihnen Informationen über Wirksamkeit und Risiken geben. Er sollte Sie über den Beginn der Wirkung / die Dauer der Wirkung informieren. Möglicherweise treten Wirkungen nur verzögert ein und lassen selber bei gutem Erfolg nach einiger Zeit wieder auf.
Ganz wichtig ist, dass die Medikation vor oder direkt nach der Kur mittels elektrischer interventioneller Methoden nicht verändert werden. Es ist wahrscheinlich, dass Sie auch trotz der Anwendung der interventionellen Methoden Medikamente einnehmen müssen. Aber Ziel ist selberverständlich, dass Sie mit allen Methoden gemeinsam Ihre Krankheitssymptome verbessern.
Möglicherweise müssen Medikamente eingenommen werden, um den Nutzen zu erhalten - aber, Sie sind in einem besseren Zustand als vorher!
Wenn Ihnen versprochen wird, dass Sie "keine Medikamente mehr brauchen", ist Ihr Psychiater vielleicht nicht seriös.
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Die Anwendung interventioneller Methoden muss Teil eines allgemeinen Behandlungsplans Ihrer psychiatrischen Erkrankung sein, den Sie gemeinsam mit Ihrer Psychiaterin besprechen.
Der Zeitraum der Akutbehandlung
10 - 20 Tage (oder länger)
Tägliche Sitzungen (mindestens eine Sitzung pro Tag, Tendenz geht zu mehr Sitzungen pro Tag)
Jede Sitzung ca. 15 - 45 min (tendenziell kurz bei neueren Protokollen)
Die einzelne Sitzung
Zuerst ein Gespräch mit dem Arzt oder der Assistentin, die die Behandlung durchführt.
Es wird Schätzung der motorischen Ruheschwelle gemacht und auf Ihrem Kopf der genaue Ort der Stimulation ausgemessen und angezeichnet.
Da das Gerät Geräusche macht, bekommen Sie Ohrstöpsel.
Hin und wieder wird die Symptomatik mittels eines Tests gemessen, damit Sie und Ihre Behandler sehen, welche Fortschritte Sie machen.
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Kliniken
Deutsch Schweiz:
• Psychiatrische Universitätsklinik Zürich*: ECT and rTMS
• Psychiatrische Dienste Aargau (PDAG)*: ECT and rTMS
• Psychiatrische Universitätsklinik Bern: ECT and rTMS
• Sanatorium Kilchberg: ECT
• Privatklinik Meiringen: ECT and rTMS
• Monthey - Hôpital psychiatrique: ECT
• Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Basel: ECT
Französische Schweiz:
• CHUV Lausanne, Département de psychiatrie*: ECT and rTMS
Praxen:
Deutsch Schweiz:
NeuroStim.CH in Zürich*: rTMS und tDCS
NeuroPsychiatrie.CH in Wallisellen*: rTMS und tDCS
Französische Schweiz:
Dr. med. Fady Rachid in Genf: rTMS
Centre de Psychiatrie interventionelle de Lausanne: ECT and rTMS
Accueil - Le Square: rTMS
* anerkannte Weiterbildungszentren)
Übersicht der Zentren:
Zentren in der Schweiz (siehe Download)